Exzerpt aus den Tagebüchern Aromboloschs, übersetzt aus dem Zwergischen von Gloria Lilly McGee, Akolythin des zweiten Grades. Für die Vollständigkeit der Werke wird keine Haftung übernommen.
Sonntag, 14.09.888
Das also ist die älteste Stadt der Region, Porta. Zugegeben, ich habe sie mir anders vorgestellt. Aber vielleicht liegt es daran, dass mir die überfahrt von Landfall hierher noch ein wenig im Magen liegt. Die Kogge, mit der ich gereist bin, hatte alles andere als einen angenehmen Seegang. Aber egal, jetzt bin ich erst einmal hier und werde in dieser Stadt mein Glück versuchen. Ich habe es auch bitter nötig, da sich mein Gesamtvermögen auf die Klamotten, die ich am Leib trage und den einzigen Kupferpfennig in meinem linken Stiefel beläuft.
Ja, die Stadt Porta ist alt, sehr alt sogar, wenn man in Menschenjahren rechnet. Seit über tausend Jahren steht sie an der Küste des Morgenroten Ozeans. Ihre Geschichte ist eine von Aufstieg und Fall, als ob sie das Schicksal ständig herausfordert. Jedes Mal, wenn sie niedergebrannt oder von Eroberern erobert wurde, haben die Menschen, die überlebten, immer wieder von vorne angefangen. Es ist fast so, als hätte die Stadt einen eigenen Willen, nicht unterzugehen. Das behaupten zumindest deren Einwohner. Alles, was ich sehe, ist eine Stadt, erbaut auf Land unterhalb des Meeresspiegels. Die "Straßen" sind Wasserwege, auf denen sich die Einwohner mit kleinen Booten fortbewegen. Die Gebäude, auf denen alle leben, stehen auf schwimmenden Inseln, die durch Stützpfeiler im sandigen Grund verankert sind. über alle erheben sich hohe Mauern, und auf den Türmen ragen Kanonen in den Himmel, bereit, die Stadt vor jedem Angreifer zu schützen.
Wenn man einen Passanten fragt, was denn Porta genau ausmacht, so lautet die Antwort fast immer: Was Porta wirklich ausmacht, sind nicht die Mauern oder die Boote. Es sind die Menschen. Schon immer haben sie deren Unabhängigkeit verteidigt - manchmal bis zum äußersten. Vor nicht allzu langer Zeit standen sie kurz vor einem Krieg mit dem Imperium, weil sie sich dem Alabasterthron nicht beugen wollten. Jetzt, wo das Imperium selbst ins Wanken gerät, flüstern einige von ihnen von Freiheit, von einer Stadt, die unabhängig ist, ohne sich dem Imperium zu unterwerfen.
Montag, 15.09.888
Meine Suche nach Arbeit in dieser Stadt erwies sich als herausfordernd. Niemand war wirklich bereit mir etwas Sinnvolles anzubieten. Es gab zwar einige Pamphlete hier und da, auf denen wahrscheinlich nach Arbeitern gesucht wurde, aber die kann ich alle nicht lesen. Wieso müssen die Menschen auch diese komischen, verschnörkelten Zinken benutzen und nicht die geometrisch vollkommenen Runen, mit denen wir schon seit 5.000 Jahren schreiben? Eine Rune ist so perfekt, dass das Verhältnis aus Länge und Höhe exakt der Wurzel aus zwei entspricht. (Anm. der übersetzerin: Es ist an dieser Stelle unklar welche "Wurzel" gemeint ist. Die eines Baumes oder einer anderen Pflanze) Wie können die das nicht verstehen? Aber egal, ich schweife ab. Schließlich bin ich in eine zufällige Taverne eingekehrt, in der Hoffnung bei einem Vormittagsbier eine Erleuchtung zu bekommen. Und siehe da, die alte Zwergen-Weisheit
"Ein Bier vor vier, so schlicht und klar,
öffnet die Augen, macht alles wahr.
Ein Schluck, und plötzlich wird's mir leicht,
als hätte ich den Sinn erreicht "
erwies sich wieder mal als wahr. Als hätte das Schicksal persönlich mich dorthin geführt, zeigte mir der dortige Wirt eines dieser Pamphlete und erklärte mir, dass der Vogt Portas nach Abenteurern sucht, die ihm bei einer Aufgabe helfen könnten. Ich bin zwar kein Abenteurer, aber wie schwer kann das schon sein? Also bezahlte ich das schale Gesöff, dass die Menschen hier als "Bier" bezeichnen und machte mich auf den Weg zum Senatshaus. Wer weiß, falls das mit dem Abenteuerleben nichts wird, kann ich bestimmt eine Menge Gold erwirtschaften, indem ich den Menschen echtes zwergisches Helles verkaufe. Unser altes Familienrezept fällt mir bestimmt wieder ein.
Irgendwann war es dann so weit und so stand ich in dieser großen Wartehalle mit unzähligen Mosaiken geschmückt, die alle aber nicht richtig ineinander passten. Zwischen den einzelnen Steinen war genug Platz, dass man locker noch ein oder zwei Haare dazwischen hätte unterbringen können. Wer hatte diesen Pfusch denn nur fabriziert? Bestimmt ein Auszubildender, der erst im 20. Lehrjahr war. Menschen!
Außer mir kamen noch vier weitere Gestalten dazu: Eine Menschenfrau namens Geist, zwei mechanische Uhrwerke namens Klick 4 und C122 und eine Zwergin, die sich aber ganz seltsam benommen hat. Weiß nicht genau was es war, aber irgendwie war sie wirklich komisch. Vielleicht lagt es an ihrem Klan, in dem sie aufgewachsen war. Habe einige seltsame Geschichten vom Klan der Felsspalter gehört, die, entgegen ihrem Namen, Ackerbau und Viehzucht betreiben. Kein Wunder, dass sie bettelarm sind und von allen anderen Zwergen zu Recht gemieden werden. Wie auch immer, irgendwann standen wir vor dem Vogt Battenberg, der uns allen erklärte, dass er einen Auftrag für uns hätte. Etwas Einfaches, kinderleichtes, wie er uns versicherte. Eine Belohnung wollte er uns auch geben. 10 Kupfer, wenn wir den kleinen Fluss hinauf segeln und in einem kleinen Dorf, in dem Handelswaren umgeschlagen werden, nachsehen, wieso die Arbeiter weggelaufen sind. Angeblich gibt es in den Wäldern einen Nebel, der die Arbeiter in Angst und Panik versetzt hat.
Das ist noch so etwas, eine typische menschliche Eigenschaft, die ich nie verstehen werde. Wie kann man denn vor seiner Arbeit weglaufen? Wenn man sich einmal für einen Beruf entschieden hat, dann bleibt man doch dort bis man alt und grau ist. Oder bis der Chef gestorben ist. Aber man läuft nicht einfach weg! Schon gar nicht vor einem Nebel!
Da ich dringend Geld brauche, habe ich mich dazu entschieden bei dieser Reise mitzumachen, aber nicht ohne vorher dafür zu sorgen, dass der reiche Vogt uns mehr als nur 10 Kupfer gibt. Ich konnte ihn auf 15 Kupfer im Voraus und 20 weitere nach Beendigung der Mission. Und zwar egal wie viele von uns zurückkehren. Werde mich doch nicht um meinen Lohn bringen lassen, nur weil einer meiner Gefährten so leichtsinnig ist und sich umbringen lässt. So weit kommt es noch! Nachdem das geklärt war, trat eine junge Frau zu uns, die sich als Carla vorstellte, eine Priesterin der menschlichen Astrid oder so, die uns unbedingt auf die Reise begleiten wollte. Wir willigten ein und so machten wir uns am nächsten Tag auf den Weg in Richtung Havanthie.
Dienstag, 16.09.888
Wir sind mit dem Flussschiff gefahren. Den ganzen Tag lang. Eines der Uhrwerke hat mich, während ich am Bug des Schiffes stand, einfach von hinten hochgehoben. Ich hatte schon Angst, dass er mich ins Wasser werfen wollte, doch anscheinend wollte er nur sehen, wie meine Haare im Wind flattern. Na ja, jedem das Seine, obwohl ich es ihm nicht verübeln kann, dass Zwerge die Objekte seiner Begierde sind. Wir sind ja perfekt. Zwar nicht so perfekt wie Wurzel 2, aber was solls. Habe vor einigen Jahren gehört, dass die alte Ugrimma glaubt eine noch perfektere Zahl gefunden zu haben, die sogar Raum und Zeit transzendieren soll, aber das halte ich für Humbug. (Anm. der übersetzerin: Auch hier ist nach wie vor nicht bekannt auf welche Pflanze sich diese Wurzel bezieht.)
Dienstag, 16.09.888, abends
Die Reise flussaufwärts erwies sich in der Tat als einfach und am Abend erreichten wir unser Ziel, das Dorf Havanthie. Hier sah es so aus wie man sich ein Dorf vorstellt, das nur dazu erbaut worden ist, Waren zu verladen: ein Anlegerhafen, lauter aneinander gereihte Holzhütten und eine windschiefe Taverne in der Mitte. Immerhin gab es hier was zu trinken. Nachdem wir beim Hafenmeister vorstellig wurden, wurden wir in die Taverne geleitet. Ich muss sagen, der Mann hatte Manieren. Dort erzählte man uns allerlei Geschichten:
Nachts soll ein dunkler Nebel in den Wäldern auf der gegenüberliegenden Flussseite auftauchen und die ganze Nacht dort verweilen. Die Bewohner und Arbeiter des Dorfes waren davon so verschreckt, dass sie nach und nach ihre Sachen gepackt haben und dieses Kaff verlassen haben. Lediglich der Wirt, seine Frau, der Hafenmeister und ein paar andere Taugenichtse sind hier geblieben. Geist, die junge Menschenfrau, fragte nach weiteren Vorfällen ähnlicher Natur, die sich hier ereignet haben sollen, worauf der Wirt uns die Geschichte vom kleinen Arnold erzählte: Arnold war ein kleines Kind, das vor 20 Jahren mit anderen Kindern auf der anderen Flussseite gespielt hat und eines Tages einfach nicht mehr zurückgekehrt war. Seitdem sei nichts weiter geschehen.
Also haben wir noch beschlossen am selben Abend auf die andere Seite zu gehen und uns dort im Nebel umzusehen. Der Wirt hat recht behalten, denn nachdem es dunkel geworden war, stieg seltsam schwarzer Nebel vom Boden auf. Der Nebel sah aus wie normaler Nebel eben aussieht und verhielt sich auch so, aber wenn man ihn berührte, bekam man ein beklemmendes Gefühl. Schwer zu beschreiben. Einer der beiden Uhrwerke, ich glaube, es war der mit Juwelen besetze, band ein Seil an einen Baum außerhalb des Nebels und ging hinein. Kurz darauf rief er nach Unterstützung und das zweite Uhrwerk, der gesichtslose Klick 4 stapfte hinterher. Auch er rief alsbald um Hilfe und so fassten wir uns alle ein Herz und betraten ebenfalls den finsteren Nebel. Wie es sich herausstellte, haben die beiden versucht einen Baum zu erklimmen, um sich einen überblick über das Ausmaß des Nebels zu verschaffen, sind aber kläglich gescheitert. Schließlich war es Geist, die es schaffte auf besagten Baum zu klettern, konnte aber weiter nichts feststellen. Am Ende mussten wir abbrechen und wir beschlossen, am nächsten Tag weiterzusuchen.
Mittwoch, 17.09.888
Am nächsten Morgen war der Nebel ganz verschwunden und wir konnten das Gelände besser untersuchen. Außer etlicher Bäume und Gestrüpp, das man gut und gerne abholzen könnte, um einige Erzschmelzen und Essen zu betreiben, fanden wir nichts. Irgendjemand aus der Gruppe stellte irgendwann fest, dass es hier keinerlei Tiergeräusche gäbe. Das war schon eigenartig. Dann fanden wir schließlich am Boden einzelne kleine Kieselsteine, die orangefarben angemalt waren. Da wir keine bessere Idee hatten, beschlossen wir ihnen zu folgen und irgendwann kurz vor Sonnenuntergang erreichten wir eine Lichtung, auf der sich ein halbes Dutzend verfallener Holzhütten und ein großes, steinernes Bauwerk, das komplett fensterlos war. Carla meinte, es könnte sich um einen Tempel oder Kirche handeln. Die Hütten waren alle vor langer Zeit verlassen worden und sonst gab es auch keine weiteren Hinweise. Also betraten wir die Kirche. Im Inneren sah es genau so aus, wie man sich einen Tempel, bzw. eine Kirche, wie die Menschen dazu sagen, vorstellt. Vier Reihen ungemütlicher Sitzbänke, einige Kerzenständer und einen Altar am hinteren Ende. Nur, dass es hier wirklich kein einziges Fenster gab.
Weil Aria glaubte etwas gehört zu haben, ging sie hinter den Altar, wo sie einen Mann fand, der zusammengekauert am Schluchzen und Weinen war. Er stellte sich als Arnold vor, der Junge, der damals verschwunden war. Wir waren alle sichtlich überrascht ihn gefunden zu haben und wir fragten ihn, wieso er denn nicht zurück nach Hause gekehrt sei. Seine Antwort war, genauso wie er, sehr verwirrend. Er habe den Weg nicht mehr gefunden. Wie schwer kann es denn sein, bitteschön? Man geht raus, sucht sich eine Richtung aus und geht dann immer geradeaus, bis man nicht mehr im Wald ist. Aber er behauptete felsenfest es oft versucht zu haben, aber er sei trotzdem immer wieder hier gelandet. Entweder hat er den schlechtesten Orientierungssinn seit einer meiner Vettern achten Grades mütterlicherseits sich zwei Monate lang in einer unserer Minen verirrt hat, oder es geht hier nicht mit rechten Mitteln zu.
Während wir weiterhin versuchten herauszufinden, was geschehen ist, fand Aria eine kleine Spitze am Altar, die dazu gemacht worden war, Blut aufzunehmen. Entgegen jeglicher Vernunft legte sie einen Ihrer Finger daran und sofort floss etwas Blut die Nadel herab in eine kleine Vertiefung und verschwand schließlich im Altarstein. Daraufhin hörten wir ein Klicken und eine kleine Schublade öffnete sich. Darin befand sich ein kleiner Beutel mit einigen Samenkörnern. Wir waren noch am Rätseln waren was es wohl damit auf sich hat, drängte Arnold uns dazu die Tür zu verschließen, denn in der Nacht sollen hier Monster auftauchen. Als ich das machen wollte, bemerkte ich ein unheiliges Symbol, das im Inneren dieses Bauwerks angebracht worden war. Spätestens jetzt war uns klar, dass hier in der Tat etwas Böses vonstatten ging. Kurz darauf hin hörten wir unheimliche Geräusche, die außerhalb der Kirche kamen. Nicht nur das, unbekannte Gestalten hämmerten auf die verschlossene Tür ein, mit der Absicht diese aufbrechen zu können. Doch glücklicherweise hatte Geist die Idee gehabt, eine der Bänke vor die verschlossene Tür zu stellen, um ihr mehr Stabilität zu geben. Sichtlich erschüttert verbrachten wir die Zeit fast regungslos im Inneren, bis nach einigen Stunden die Geräusche verebbten und schließlich komplett verstummten.
Donnerstag, 18.09.888
Da wir davon ausgegangen sind, dass der nächste Morgen angebrochen war, und weil wir alle zurück nach Havanthie wollten, öffneten wir die Tür und traten ins Freie. Eine unheimlich kalte Stimme empfing uns draußen mit den Worten: "Ihr wagt es, mein Werk zu zerstören?" und daraufhin griff uns eine geisterhafte Gestalt an. Unsere Angriffe gegen diese Kreatur der Finsternis erwiesen sich als nicht sehr erfolgreich, worauf ich Carla, die bis dahin nicht viel zur Aufklärung beigetragen hatte, ob sie nicht etwas Weihwasser hätte. Sie Bestätigte dies und gab mir eine kleine Phiole, die ich dann sofort auf den Geist warf. Es stellte sich heraus, dass dies die richtige Entscheidung war, denn daraufhin löste er sich in Luft auf. Jetzt konnten wir endlich wieder zurück gehen.
(Anm. der übersetzerin: Der Tagebucheintrag endet hier und bis jetzt ist noch nicht klar, was danach geschehen ist.)